13. Juni 2022Kunst und Handwerk auf dem Parkdeck 2022
Die Handwerkskammer hatte gemeinsam mit der „Angewandten Kunst Düsseldorf (AKD)“ wieder ein Wochenende voller Entdeckungen versprochen. Und wie schon im letzten Sommer folgten der Einladung zum 19. „Düsseldorfer Markt für Kunst, Handwerk und Design“ viele Besucherinnen und Besucher, die es genossen, in entspannter Atmosphäre schöne Dinge und phantasievolle Objekte zu begutachten oder sich von den Gestaltern und Kunstschaffenden vieles erklären zu lassen. Bei sommerlichen Temperaturen präsentierten rund 70 Ausstellerinnen und Aussteller auf 1.500 Quadratmetern „open air“ ein besonders vielfältiges Angebot mit Arbeiten aus den Bereichen Schmuck, Textil/Leder, Keramik, Glas, Holz, Metall, Stein, Fotografie und Papier. Vertreten waren Kunsthandwerker aus ganz NRW: vom Niederrhein bis nach Köln, Bonn und Aachen, aber auch aus dem Ruhrgebiet, dem Münsterland und dem Bergischen.
Kunst und Handwerk – der Name ist Programm: Neben freien künstlerischen Arbeiten lag in diesem Jahr ein Akzent auf traditionellem Handwerk, von Organisatorin Marie-Theres Sobik bewusst ausgewählt. So bot eine Besen- und Bürstenmanufaktur nicht nur ihr umfangreiches Sortiment an, sondern zeigte vor Ort, wie die traditionelle Herstellung aussieht. Qualität, Funktionalität und Langlebigkeit stehen dabei im Vordergrund; die Werkstatt Kaniss (Duisburg), die 30 Mitarbeiter mit Sehbehinderung beschäftigt, bildet in Zusammenarbeit mit einer Soester Schule für Blinde und Sehbehinderte auch aus. Mit „Beer Kong“ gab es außerdem Bierbraukunst aus Düsseldorf, die man schon aufgrund der Temperaturen gerne einem Geschmacktest unterzog. Carolin Heller und Janine Winkler sind 2019 in der Altbier-geprägten Landeshauptstadt mutig mit ihren kreativen Craft Bieren gestartet, „in kleinen Mengen von Hand gefertigt, mit fruchtigen Aromen und besonders geschmacksintensiv!“
Holz in vielfältiger Ausprägung
Auch das Tischlerhandwerk war mit unterschiedlichsten Produkten vertreten – von schön gestalteten Gebrauchsgegenständen, zum Beispiel von „Brettmän“ Stefan Rose (Grefenau), über Möbel (ausgefallen bei Anna Siotto aus Bad Belzig, reduziert bei Robert Wilmers aus Neuss) bis hin zum künstlerischen Objekt bei Konrad Koppold (Leverkusen). Mit seinen gedrechselten Holz-Skulpturen gewann der gelernte Tischler und Innenarchitekt im letzten Jahr den hessischen Staatspreis. Gerade ist der 54-Jährige außerdem „auf dem Sprung“ nach Korea, wo Ende des Monats der Sieger des „Loewe Foundation Craft Prize“ verkündet wird. Von über 3.000 Bewerbern weltweit schaffte er es mit einem Gefäß aus 200 Jahre alter Eiche unter die 30 Finalisten …
„Altes Handwerk und junges Design müssen kein Gegensatz sein“, erklärt Marie-Theres Sobik, Geschäftsführerin der AK Düsseldorf, „beides hat bei diesem besonderen Event seinen Platz.“ Der Beweis: Bereits seit einigen Jahren stellen Studierende der Akademien für Handwerksdesign der HWK Aachen und der Akademie für Gestaltung der HWK Münster auf dem „Parkdeck“ ihre Projekte vor – inzwischen sind sogar eigene Produktserien entstanden, die erfolgreich vertrieben werden. Bildhauer Jaimun Kim vereint beides, Künstlerisches und Handwerkliches: Der aus Seoul stammende Keramiker und Künstler schafft Tonarbeiten für den täglichen Gebrauch, aber er realisiert auch große Kunstobjekte und Installationen mit verschiedenen Materialien.
Nachhaltigkeit ist weiter Trend
Nachhaltigkeit ist auch im Kunsthandwerk ein Trend, der sich seit Jahren verstärkt: Upcycling ist aus der Design- und Modewelt nicht mehr wegzudenken. Ob hippe Taschen, die aus alten (Basket)Bällen gefertigt sind (Rita Balta, Köln), „green wear“ von Anne Longo (Hennweiler) oder Schmuck, für den „Öko-Gold“ verarbeitet wurde wie bei Katharina Koslowski aus Tönisvorst. Die Goldschmiedin und Absolventin der Münsteraner Akademie für Gestaltung achtet darauf, Material aus Recycling-Zyklus zu beziehen. Bei der Gestaltung ihrer puristischen Schmuckstücke ist ihr vor allem die ausgewogene Proportion wichtig. Ein Upcycling der besonderen Art betreibt das Duo hinter „Aero-1946“. Rolf Bauche und Reinhard Cramer aus Bergisch-Gladbach stellen aus alten Flugzeug- und Hubschrauberteilen Aluminium-Hocker, Schränke, Werkzeugkisten oder Buchstützen her. Dabei kommen nicht nur die Überbleibsel von historisch interessanten Maschinen zum Einsatz; der ehemalige Zahntechniker und der Technikhistoriker haben auch den Ehrgeiz, die Verarbeitungsweise der jeweiligen Zeit fortzusetzen. Mit Vollnieten und solider Konstruktion entstehen so leichte, aber stabile Möbel mit einzigartigem Design. Mit Begeisterung arbeiten die beiden an immer neuen Projekten.
Mit einer ganz besonderen Philosophie warten Tischler Peter Seeland und seine Frau Romana (Gleichen) auf. Sie bauen Möbel der Shaker nach – die Inspiration (und die Erlaubnis) dazu holten sie sich auf Reisen in die USA. Die klassischen, nicht geleimten Holz-Verbindungstechniken verwendet das Paar auch bei den traditionellen ovalen Schachteln, verleiht ihnen aber beispielsweise durch Intarsien eine individuelle Anmutung. Sie möchten damit ermutigen, wie Romana Seeland treffend zusammenfasst, „etwas mehr als das Normale auch zu wollen.“ In Zeiten von Massenkonsum und Wegwerfmentalität ein beinahe gewagter Gedanke. Der doch mehr und mehr auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint. Die Besucher an diesem Wochenende gehören jedenfalls zu den Menschen, die es Leid sind, immer mehr von Dingen zu konsumieren, die sie gar nicht (ge-)brauchen können.
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