2. November 2023Herbstgutachten der Handwerkskammer Düsseldorf
Klaffende Schere zwischen noch auskömmlicher Lage und trüben Erwartungen - Handwerkerchef Ehlert mahnt: „Weichen jetzt richtig stellen!“
Das Handwerk im Kammerbezirk Düsseldorf steht im Herbst 2023 unter dem Eindruck der allgemeinen Konjunkturflaute und einer sich weiter zuspitzenden Baukrise. Nach den Ergebnissen einer aktuellen, repräsentativen Konjunkturumfrage im größten HWK-Bezirk des Landes ist das Geschäftsklima im Wirtschaftssektor gegenüber der letzten Umfrage um 16 Punkte auf 104 Punkte gesunken.
Dabei schätzen die Unternehmen ihre derzeitige Nachfragesituation im Großen und Ganzen noch als auskömmlich ein: Der Saldo der Betriebe mit einem Umsatz-Plus und einem -Minus ist ausgeglichen; die Kapazitäten noch zu 80 Prozent ausgelastet. Nur 17 Prozent der befragten Inhaber bestätigen aktuell bereits eine Lage-Verschlechterung gegenüber dem Frühjahr; die Auftragsreichweite beträgt branchenübergreifend 9,1 Wochen (Frühjahrsumfrage: 9,8). „Die deutliche Konjunkturabkühlung ist vor allem auf ausgesprochen skeptische Zukunftserwartungen der Unternehmen in allen Bereichen unseres Wirtschaftssektors zurückzuführen. Der verhaltene Optimismus aus dem Frühjahr ist weg“, brachte HWK-Präsident Andreas Ehlert am Donnerstag vor Journalisten in Düsseldorf das gespaltene Datenbild auf den Punkt. Fast jeder dritte Betrieb (30 %) geht von einer Verschlechterung der Lage und seiner Umsatzentwicklung in den nächsten sechs Monaten aus. Zum Jahresende prognostiziert die HWK für die Gesamtheit ihrer 60.000 Mitgliedsunternehmen und 321.000 Beschäftigten einen Erwerbspersonen-Rückgang um 1 Prozent und ein - ebenfalls leichtes - reales Umsatz-Minus.
Energiepreise, Fachkräftemangel, Nachfragerückgang und Baukrise setzen Handwerk unter Druck
Insbesondere im Bauhauptgewerbe (Geschäftsklima: 98 Punkte) und im Ausbaugewerbe sind die Erwartungen angesichts des drohenden Neubaustillstands von Pessimismus geprägt; jeweils nur elf Prozent der Unternehmen sehen eine Nachfragebelebung voraus. „Das Zusammenspiel aus hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel, inflationsbedingtem Nachfragerückgang, Personalkostensteigerungen und massiv gestiegenen Zinsen macht dem Handwerk insgesamt zu schaffen“, ordnete Ehlert den Stimmungseinbruch ein. „Speziell jedoch der handwerklichen Bauwirtschaft, zu der etwa die Hälfte aller Betriebe im Kammerbezirk gehört. Im Neubau droht sogar der Stillstand.“ Zwar zehrten auch hier noch viele Betriebe von älteren Aufträgen, doch werde der „dramatische Einbruch bei den Baugenehmigungen mit Verzögerung unweigerlich bei den Betrieben ankommen.“, prognostizierte Ehlert. „Es ist gut, dass die Bundesregierung nun endlich gegensteuert und nach langem Zögern ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Wohnungsbaus beschlossen hat. Darüber hinaus gilt: Alles, was Baukosten senkt, muss jetzt auf den Tisch!“, machte Ehlert klar. Die HWK stellte ein „5-Punkte-Programm“ zur Stabilisierung der Bauwirtschaft und des Wohnungsbaus vor. Hauptpunkte: Eine Absenkung des Energiestandards EH 40 auf EH 55 in den KfW-Förderprogrammen im Neubau und eine Angleichung der Zuschusshöhe für die energetische Optimierung der Gebäudehülle an jene für die Wärmeversorgung in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG); das Land NRW wird aufgefordert, auf eine Rohstoffabgabe zu verzichten und die Grunderwerbsteuer auf 5 % zu reduzieren.
Ebenfalls stark eingetrübt hat sich die Stimmung im Lebensmittelgewerbe (Klimaindex: 79 Punkte/ Frühjahr:102); Bäckereien und Fleischereien haben aufgrund eines hohen Energieanteils an ihren Gestehungskosten besonders unter den stark gestiegenen Energiepreisen und zudem unter inflationsbedingter Kaufzurückhaltung zu leiden. Auch die gewerblichen Handwerke, die oft als industriellen Zulieferbetriebe tätig sind, spüren bereits die Auswirkungen der rückläufigen Industrieproduktion. Ein auf niedrigem Niveau stabiles Geschäftsklima (je 102) melden die Persönlichen Dienstleistungen und mit Abstrichen das Gesundheitsgewerbe.
Verschärfte Finanzierungsbedingungen erschweren Investitionen
In einem wirtschaftlich angespannten Umfeld stehen auch die Umsatz- und die Beschäftigungsentwicklung im Handwerk unter Druck. Im Jahr 2023 drohen sowohl ein erneuter Beschäftigungsabbau als auch ein reales Umsatzminus. Gleichzeitig ist das Investitionsklima angesichts der Kapitalverteuerung und unsicheren Aussichten auf ein Langzeittief abgerutscht. Jedes dritte Unternehmen (30 %) geht von einer Drosselung seiner investiven Ausgaben aus; im Lebensmittelgewerbe gar 45 Prozent.
In regionaler Betrachtung ragt die relative Stärkeposition des Handwerks im Großraum und am Wachstumspol Düsseldorf positiv heraus (Geschäftsklima: 108 Punkte); dagegen zeigen die Teilräume Ruhr-West und das Bergische Land (je 103) einen leicht unterdurchschnitten Konjunktur-verlauf; mit negativem Ausschlag im industriell geprägten Wuppertal (98 Punkte).
Handwerk dringt auf umfassendes Standortstärkungsprogramm
„Dem Handwerk an Rhein, Ruhr und Wupper droht ein Abwärtssog aus Umsatzstagnation, Beschäftigungsabbau und Investitionsstillstand. Mit Blick auf die großen Zukunftsaufgaben, die nur mit dem Handwerk zu meistern sind, müssen wir das unbedingt verhindern“, mahnte Ehlert. Der Kammerpräsident appellierte an die Bundespolitik, ein ganzheitliches Standort-Stärkungsprogramm auf den Weg zu bringen. Andernfalls könne eine Kombination aus hohen Energiekosten, überbordender Bürokratie, demografischem Wandel und Spitzen-Steuer- und Abgabenlast die deutsche Wirtschaft über viele Jahre ausbremsen. „Jetzt rächt sich, dass die Augen vor den strukturellen Problemen unseres Landes zu lang verschlossen waren. Statt Rekord-Subventionen für einzelne Wirtschaftszweige brauchen wir bessere Rahmenbedingungen für den gesamten Standort Deutschland“, sagte Ehlert mit Blick auf die Diskussion um den Industriestrompreis und die Zuschüsse für Chip-Hersteller. Das Wachstumschancengesetz und das geplante Bürokratieentlastungsgesetz gingen „in die richtige Richtung“, fielen aber „zu zaghaft“ aus. „Wenn die Subventionen für die Ansiedlung eines einzigen Unternehmens das Entlastungsvolumen des gesamten Wachstumschancengesetz übersteigen, ist der Fokus eindeutig falsch gesetzt“, kritisierte der Kammerpräsident.